DSGVO-Abmahnung? JA, NEIN, VIELLEICHT
Können DSGVO-Verstöße von Wettbewerbern abgemahnt werden? Das ist eine verdammt gute Frage. Leider gibt es darauf völlig unterschiedliche Antworten. Nämlich JA, NEIN und VIELLEICHT. Wer einen juris-Zugang hat kann meinen Aufsatz zu der Problematik vom Frühjahr 2019 gerne lesen.
Die Kurzfassung des Problems lautet: Die Datenschutzrechtler und die Gerichte streiten sich darüber, ob die DSGVO abschließenden Sanktionscharakter hat. Wenn Ja, dann bleibt kein Raum für Ansprüche, die von außerhalb der DSGVO kommen. Damit sind Abmahnungen aus dem Wettbewerbsrecht (UWG) also nicht mehr zulässig.
Die Gegenmeinung sagt, naja, das Gegenteil eben.
Eine Zwischenmeinung, der ich mich anschließe, sagt: Es kommt darauf an (Typische Anwaltsantwort, ich weiß). Aber dieses “es kommt darauf an” (= VIELLEICHT) war auch schon nach altem Recht die überwiegende Meinung.
OLG Naumburg mit vermittelnder Meinung
Und jetzt hat sich das OLG Naumburg dieser Meinung angeschlossen (OLG Naumburg, Urteil vom 07.11.2019, Az. 9 U 6/19 / zuvor schon: OLG Hamburg mit Urteil vom 25.10.2018, Az. 3 U 66/17).
Das Urteil kann hier im Volltext als PDF abgerufen werden.
Die Naumburger Richter sagen in Ihrer Urteilsbegründung:
Der Senat schließt sich der Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg an. Selbstverständlich schützen Datenschutzregeln in erster Linie das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen. Gleichwohl verfolgt die DSGVO auch andere Zielsetzungen: In den Erwägungsgründen 6 bis 8 der DS-RL heißt es, dass die Richtlinie auch den grenzüberschreitenden Verkehr personenbezogener Daten auf ein einheitliches Schutzniveau heben soll (Erwägungsgründe 6 und 7), weil ein unterschiedliches Schutzniveau ein Hemmnis für die Ausübung von Wirtschaftstätigkeiten auf Gemeinschaftsebene darstellen und den Wettbewerb verfälschen könne (Erwägungsgrund 7 Satz 2), und die Regelungen der Richtlinie auch der Beseitigung solcher Hemmnisse diene, um einen grenzüberschreitenden Fluss personenbezogener Daten kohärent in allen Mitgliedsstaaten und in Übereinstimmung mit dem Ziel des Binnenmarktes zu regeln (Erwägungsgrund 8).
Konkret ging es hier um einen Händler, der apothekenpflichtige Medikamente über Amazon Marketplace verkauft hat. Hier liege der Wettbewerbsbezug auf der Hand:
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte die Plattform Amazon Marketplace in das Feilbieten der von ihm vertriebenen Medikamente und Medizinprodukte in der Weise einbezogen, dass er die Popularität dieser Plattform nutzt, um Kunden zu gewinnen. Er setzt damit die Plattform als Werbeträger ein. Amazon selbst wertet die Daten – wenn auch anonym – aus, um zu werben: “Kunden, die sich Produkt A angesehen haben, interessieren sich auch für Produkte B”. Dies zielt auf den Markt ab und berührt die wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer. Denn durch die Auswertung der Absatzdaten können Kunden zielgerichtet angesprochen werden.
Damit war also die Abmahnung des Wettbewerbers hier zulässig. Die näheren Gründe für die Abmahnung sollen jetzt hier einmal keine Rolle spielen.
Wichtig ist hier allein, dass jetzt zwei Oberlandesgerichte sagen, dass dann, wenn DSGVO-Verstöße einen Wettbewerbsbezug haben, auch Abmahnungen rechtmäßig sind. Ob ein solcher Bezug vorliegt, ist dann in jedem Einzelfall anhand der konkreten Umstände zu prüfen. Zielt die Vorschrift, gegen die verstoßen wird, nicht auf wirtschaftliche oder wettbewerbliche Interessen ab, sondern nur auf den Schutz der Persönlichkeit und der informationellen Selbstbestimmung der Betroffenen, dann haben wir also keine zulässige Abmahnung.
Meine Meinung
Ich habe diese Ansicht schon seit längerer Zeit vertreten. Wir nach altem Recht auch sollte man sich den Verstoß genau ansehen und prüfen, ob es einen Wettbewerbsbezug gibt oder nicht. Ist der Bezug da, dann darf auch abgemahnt werden. Denn auch hier verschafft sich der Rechtsverletzer einen Vorteil durch Rechtsbruch.
Im Moment kommt es aber darauf an, bei welchem Gericht man landet. Es wird also hier spannend bleiben. In den nächsten Wochen und Monaten werden weitere Urteile dazu kommen und das Bild wird dann langsam klarer.
Timo Schutt
Datenschutz-Berater
Fachanwalt für IT-Recht
DSGVO-Man