Datenschutz-Nachrichten

BGH verhandelt Verbraucherzentrale vs. Facebook

BGH verhandelt Verbraucherzentrale vs. Facebook

Von Timo Schutt 31. Oktober 2019

Vorgehen gegen DSGVO-Verstößen durch Verbände möglich?

Unter den Datenschutzrechtlern ist es höchst umstritten, ob die DSGVO einen abschließenden Sanktionskatalog enthält. Das ist wichtig, um zu entscheiden, ob Raum für nationale Sanktionen bleibt, wie eben solchen aus dem UWG. Das UWG ist das deutsche Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Es geht also um Abmahnungen von Wettbewerbern, also Konkurrenten. Genauso geht es aber um Abmahnungen so genannter qualifizierter Einrichtungen, also bspw. Verbraucherschutzverbänden. Der BGH hatte ein Verfahren des Dachverbands der Verbraucherzentralen der Bundesländer gegen Facebook ausgesetzt, um in Erfahrung zu bringen, ob der Europäische Gerichtshofs (EuGH) nach wie vor Raum für diese deutsche Möglichkeit sieht.

Das hat der EuGH in dem Verfahren zu dem “Gefällt-mir”-Button von Facebook getan. Das Gericht hat dort eine nationale Regelung zu Gunsten des Vorgehens solcher Verbände als zulässig angesehen. Jetzt geht es beim BGH weiter.

BGH verhandelt am 06.02.2020

Davon ausgehend, dass nicht alle die Pressemeldungen des Bundesgerichtshofs (BGH) mitbekommen, füge ich hier die Pressemeldung 140/2019 der Pressestelle des BGH ein. Am 06.02.2020 wird der BGH zu dem Thema mündlich verhandeln.

Nachdem der BGH bei uns gegenüber ist werde ich versuchen einen Platz zu erwischen und danach hier berichten.

Timo Schutt
Datenschutzberater
Fachanwalt für IT-Recht
DSGVO-Man

Pressemeldung des BGH Nr. 140/2019 im Wortlaut:

Verhandlungstermin in Sachen I ZR 186/17 (Verfahren gegen Facebook wegen Verstößen gegen Datenschutzrecht) am 6. Februar 2020, 10.00 Uhr

Ausgabejahr2019
Erscheinungsdatum30.10.2019

Nr. 140/2019

Der unter anderem für Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob ein Verstoß des Betreibers eines sozialen Netzwerks gegen die datenschutzrechtliche Verpflichtung, die Nutzer dieses Netzwerks über Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung ihrer Daten zu unterrichten, wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche begründet und von Verbänden verfolgt werden kann.

Sachverhalt:

Die in Irland ansässige Beklagte, die Facebook Ireland Limited, betreibt das soziale Netzwerk “Facebook”. Auf der Internetplattform dieses Netzwerks befindet sich ein “App-Zentrum”, in dem die Beklagte den Nutzern ihrer Plattform kostenlos Online-Spiele anderer Anbieter zugänglich macht. Im November 2012 wurden in diesem App-Zentrum mehrere Spiele angeboten, bei denen unter dem Button “Sofort spielen” folgende Hinweise zu lesen waren: “Durch das Anklicken von ‚Spiel spielen” oben erhält diese Anwendung: Deine allgemeinen Informationen, Deine-Mail-Adresse, Über Dich, Deine Statusmeldungen. Diese Anwendung darf in deinem Namen posten, einschließlich dein Punktestand und mehr.”

Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer. Er ist der Ansicht, die Beklagte verstoße mit dieser Präsentation der Spiele im “App-Zentrum” gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 TMG und § 4a Abs. 1 Satz 2 BDSG aF, weil die den Nutzern erteilten Hinweise zu Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung ihrer Daten unzureichend seien und daher keine Grundlage für eine nach § 4a Abs. 1 Satz 1 BDSG aF wirksame Einwilligung in die Nutzung der Daten bilden könnten. Der Kläger ist ferner der Auffassung, dass es sich bei den verletzten datenschutzrechtlichen Vorschriften um Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG aF (jetzt § 3 Abs. 1, § 3a UWG) handele und ein Verstoß daher wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG begründe, zu deren Geltendmachung er als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG berechtigt sei.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, auf ihrer Internetseite in einem App-Zentrum Spiele so zu präsentieren, dass Nutzer der Internetplattform mit dem Betätigen eines Buttons wie “Spiel spielen” die Erklärung abgeben, dass der Betreiber des Spiels über das von der Beklagten betriebene soziale Netzwerk Informationen über die dort hinterlegten personenbezogenen Daten erhält und ermächtigt ist, Informationen im Namen der Nutzer zu übermitteln (posten). Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren durch Beschluss vom 11. April 2019 in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-40/17 über das Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Januar 2017 (I-20 U 40/16, GRUR 2017, 416) ausgesetzt. Das Oberlandesgericht hat dem Gerichtshof der Europäischen Union in diesem Verfahren, in dem es um den “Gefällt mir”-Button von Facebook geht, die auch im vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Regelungen in Art. 22 bis 24 der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Richtlinie) einer nationalen Regelung entgegenstehen, die – wie § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG – gemeinnützigen Verbänden zur Wahrung der Interessen der Verbraucher die Befugnis einräumt, im Falle einer Verletzung von Datenschutzvorschriften gegen den Verletzer vorzugehen. Der Europäische Gerichtshof hat in dieser Sache durch Urteil vom 29. Juli 2019 (GRUR 2019, 977) entschieden. Der Bundesgerichtshof wird nun die mündliche Verhandlung in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit fortsetzen.

Vorinstanzen:

LG Berlin – Urteil vom 28. Oktober 2014 – 16 O 60/13 – CR 2015, 121

Kammergericht Berlin – Urteil vom 22. September 2017 – 5 U 155/14 – GRUR-RR 2018, 115

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 13 Abs. 1 Satz 1 TMG

Der Diensteanbieter hat den Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten sowie über die Verarbeitung seiner Daten in Staaten außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. EG Nr. L 281 S. 31) in allgemein verständlicher Form zu unterrichten, sofern eine solche Unterrichtung nicht bereits erfolgt ist.

§ 4a Abs. 1 Satz 1 und 2 BDSG aF

Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Er ist auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie, soweit nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich oder auf Verlangen, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen.

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG

Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu: qualifizierten Einrichtungen, die nachweisen, dass sie in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) eingetragen sind.

§ 148 Abs. 1 ZPO

Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

Karlsruhe, den 30. Oktober 2019

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

Ergänzende Dokumente

Beschluss des I. Zivilsenats vom 11.4.2019 – I ZR 186/17 –
Beschluss des I. Zivilsenats vom 11.4.2019 – I ZR 186/17 –