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Zeiterfassung per Fingerprint ist unzulässig

Zeiterfassung per Fingerprint ist unzulässig

Von Timo Schutt 13. Februar 2020

ArbG Berlin: Zeiterfassung per Fingerprint ist unzulässig

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 16.10.2019 (Aktenzeichen 29 Ca 5451/19) entschieden, dass die Arbeitszeiterfassung durch ein Zeiterfassungssystem mittels Fingerprint nicht erforderlich im Sinne von § 26 Absatz 1 BDSG ist. Damit ist das Verfahren ohne die ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person nicht zulässig.

Fingerprint neu eingeführt

Bis zur Einführung des neuen Zeiterfassungssystems trugen die Mitarbeiter des beklagten Unternehmens per Hand ihre geleisteten Arbeitszeiten und ihre Einsatzwünsche ein. Die handschriftlich eingetragenen Arbeitszeiten wiesen meist auch geleistete Mehrarbeitsstunden aus. Gelegentlich wurden abweichende Dienstzeiten mündlich nachgeliefert. Eine Kontrolle der eingetragenen Zeiten fand nicht statt. Der Kläger ist bei dem Unternehmen beschäftigt und weigerte sich in der Folgezeit, das Zeiterfassungssystem zu benutzen. Er erteilte auch keine Einwilligung.

Die Arbeitszeiterfassung mittels Fingerprint soll unter anderem verhindern, dass Mitarbeiter für Kollegen „mitstempeln“ und damit Arbeitszeitbetrug begehen.

Technisch betrachtet werden aus dem Fingerabdruck des Mitarbeiters zunächst individuelle, nicht vererbbare Fingerlinienverzweigungen mit einem speziellen Algorithmus extrahiert. Dieser Datensatz wird dann im Zeiterfassungsterminal gespeichert und zum Abgleich bei der An- und Abmeldung verwendet. Nicht gespeichert wird grundsätzlich der Fingerabdruck des Mitarbeiters selbst.

Biometrische Daten besonders schützenswert

Datenschutzrechtlich handele es sich nach den Feststellungen des Gerichts um biometrische Daten nach Art. 9 Absatz 1 DSGVO und besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des § 26 Absatz 3 BDSG. Eine Verarbeitung könnte daher die Privatsphäre des Mitarbeiters und damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in besonderem Maße verletzen.

Kein Erlaubnistatbestand vorhanden

Arbeitsrechtlich relevant sind dabei besonders die Erlaubnistatbestände der „Erforderlichkeit“ der Datenverarbeitung, der „Freiwilligkeit der Einwilligung“ und der „Kollektivvereinbarung“.

Eine Einwilligung und eine Kollektivvereinbarung lagen nicht vor. Aber auch das Merkmal der „Erforderlichkeit“ sei nicht gegeben, so das Gericht. Zum einen würde sich die weit überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer rechtstreu verhalten, also für diese Kontrollen keinerlei Anlass geben (womit die Betrugsprävention als Gegenstand der Erforderlichkeit wegfiele). Zum anderen wurde nicht vorgetragen, dass relevanter Missbrauch durch das händische System der Zeiterfassung betrieben worden sei oder durch ein anderes System verhindert werden könnte. Es wurde auch nicht dargetan, dass etwa der klagende Mitarbeiter in der Vergangenheit durch Falschangaben seiner Arbeitszeit negativ aufgefallen sei. Das Arbeitsgericht war daher der Ansicht, dass vorliegend die schutzwürdigen Interessen des Klägers an dem Ausschluss dieser Verarbeitung überwiegen. Willigt er also nicht freiwillig in diese Maßnahme ein, kann ihn der Arbeitgeber dazu nicht verpflichten.

Fazit

Eine vorherige Beratung des Arbeitgebers wäre sinnvoll gewesen. Das Ergebnis des Arbeitsgerichts war vorherzusehen. Denn ohne konkreten Anlass im Einzelfall gibt es stets mildere weniger in die Privatsphäre der Mitarbeiter eingreifende Möglichkeiten der Feststellung der Arbeitszeiten.

Alles, was modern und neu ist, ist also nicht gleichzeitig auch zulässig und sinnvoll. Zumindest dann nicht, wenn das “alte” Modell problemlos funktioniert hat.

Ob allerdings die neuen scharfen Vorgaben des EuGH zur verpflichtenden genauen Arbeitszeiterfassung hier nicht vielleicht eine andere Einschätzung zur Erforderlichkeit ermöglich hätten, sei am Rande angemerkt. Das händische System des hiesigen Unternehmens jedenfalls könnte unter dem Gesichtspunkt wiederum aus Gründen der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes unzureichend sein.

Timo Schutt
Ihr Datenschutz-Partner
Fachanwalt für IT-Recht